Ein Online Experiment zur Mülltrennung

Autorin: Anna Walter

Um dem Klimawandel entgegenzuwirken, sind viele Ansätze denkbar und notwendig. Eine Verhaltensweise, die in Österreich bereits 94,4% der Bevölkerung umsetzt, ist die getrennte Sammlung von Abfällen (Mikrozensus Umwelt, 2019). Das richtige Trennen ist aber gar nicht so einfach. In Österreich gibt es lokale Unterschiede zwischen den Sammelsystemen und auch die Kategorisierungen ändern sich teilweise über die Jahre (in Wien zum Beispiel werden seit 2019 Dosen, Plastikflaschen und TetraPak gemeinsam gesammelt).

Wir haben uns bereits in anderen Projekten mit dem Thema „Müll“ beschäftigt. Hier mit der „Kluft“ zwischen dem Vorsatz und der tatsächlichen Handlung, Müll zu trennen und hier mit Maßnahmen zur Verbesserung der Sauberkeit in Wiener Gemeindebauten. In der hier beschriebenen Studie testen wir, inwiefern man mit einfachen Mitteln (Info-Aufklebern) Menschen zu besserem Mülltrennen bewegen kann. Um herauszufinden, welcher Aufkleber am besten funktioniert, haben wir ein kleines Online-Experiment durchgeführt.

Was haben wir konkret getestet?

Bei unserem Online-Experiment haben wir zwei Aufkleber designt und mit dem Aufkleber verglichen, der derzeit von der ARA (Altstoff Recycling Austria) verwendet wird. Die ARA ist in Österreich für die Verpackungssammlung in privaten Haushalten sowie Betrieben zuständig.

Die genaue Ausgestaltung der Aufkleber ist inspiriert von Design-Prinzipien basierend auf verhaltenswissenschaftlicher Literatur (siehe dazu auch diesen Blog-Beitrag) und auf verschiedenen „Best Practice“ Beispielen. Wir haben für die Gestaltung an vielen kleinen Stellschrauben gedreht und Verbesserungen vorgenommen. Beispielsweise wurde in den neuen Versionen der Mistkübel angedeutet und auch die Bewegung des „Hineinwerfens“. Wichtig waren uns auch konkrete, klare Angaben (mittig platziertes „Bitte nur leere Verpackungen!“ statt kleines „Bitte nur Verpackungen, keinen Restmüll!“) und größer dargestellte Gegenstände, denn gerade bei Sandwichverpackung, Tetra-Pak und Plastikbecher ist man sich vielleicht unsicher und trennt dann falsch. Außerdem haben wir vermutet, dass das „Danke“ unten rechts Sympathien weckt. Ein QR-Code zum Melden voller Tonnen wurde ebenfalls evaluiert. Nachdem in der Praxis oft mit Piktogrammen gearbeitet wird, haben wir diese Darstellungsform auch getestet. Hier war die Erwartung, dass der aufgeräumte visuelle Eindruck das Trennen erleichtert.

Aufbau des Online-Experiments

Unser Online-Experiment bestand aus drei Teilen:

  • Jeder teilnehmenden Person wurde 10 Sekunden lang zufällig einer der drei Aufkleber gezeigt.
  • Ein Wissenstest, in dem 11 verschiedene Abfall-Gegenstände dem richtigen Mistkübel (Restmüll oder Sammelbehälter) zugeordnet werden sollten.
  • Ein direkter Vergleich aller drei Aufkleber, bei dem TeilnehmerInnen ihre Meinung dazu abgeben konnten.

Im Folgenden bringen wir drei interessante Ergebnisse aus dem Online-Experiment mit verhaltensökonomischen Prinzipien in Verbindung.

Piktogramme sind zu abstrakt

Welcher Aufkleber hat sich nun bewährt? Im Durchschnitt werden 5,22 von 6 Gegenständen richtig dem Sammelbehälter zugeordnet, das heißt: weniger als ein Fehlwurf. Tendenziell zeigt sich allerdings, dass die neuen Designs zu mehr korrekten Zuordnungen führen als das Standard-Design. Woran genau das liegt, lässt sich nicht feststellen, da wir ja an vielen Stellschrauben gedreht haben. Aber allein zu wissen, dass die neuen Designs tendenziell besser funktionieren, ist bereits eine wertvolle Erkenntnis. Zusätzlich zeigt sich im direkten Vergleich (3. Teil), dass die TeilnehmerInnen den Piktogramm-Aufkleber unverständlicher und weniger eindeutig empfinden. Die Darstellung ist zu abstrakt und wirft viele Fragen auf (z. B. „Was ist das Dreieck?“). Obwohl der Aufkleber optisch sehr „aufgeräumt“ wirkt, empfanden die TeilnehmerInnen ihn tendenziell unschöner. Gerade weil Piktogramme gerne beim Design von Infomaterialien benutzt werden, ist dieses Ergebnis durchaus überraschend und zeigt: wenn‘s um Mülltrennung geht, lieber fotorealistisch bleiben.

Was ich kenn, mag ich

Dass „Danke“ rechts in der Ecke hat sich nicht auf den Sympathiewert der ARA ausgewirkt. Aber TeilnehmerInnen, die die ARA schon kannten, bewerteten sie tendenziell auch als sympathischer. Wahrscheinlich liegt das an positiven Erfahrungen mit dem Service der ARA, es könnte aber auch der „Mere Exposure Effekt“ eine Rolle spielen: je öfter man eine Marke „erlebt“, desto eher entwickelt man eine Präferenz dafür und „mag“ sie (Zajonc, 1968).

Dieser Effekt ist der Grund, warum im TV häufig in jeder Werbepause immer wieder derselbe Spot läuft: je öfter man ein Produkt sieht, desto eher präferiert man es – und kauft es dann vielleicht auch. Die Sympathie mit der ARA könnte durchaus auch beim richtigen Trennen helfen – denn ein sympathisches Gegenüber (egal ob Mensch oder Marke) unterstützt man gerne. Ein guter Markenauftritt zahlt sich aus, nicht nur bei Besorgungen (Einkaufen), sondern womöglich auch bei Entsorgungen (Mülltrennen).

Menschen haben eine begrenzte Aufmerksamkeit

Auf beiden neuen Designs war unten rechts ein QR-Code abgebildet, mit dem man volle Tonnen melden kann. Hier sollte getestet werden, ob dieser Code überhaupt wahrgenommen wird. Kurioserweise sagen TeilnehmerInnen genau bei diesen Aufklebern häufiger, dass kein QR-Code zu sehen war. Diese Beobachtung lässt sich eventuell durch begrenzte Aufmerksamkeit erklären. Wir Menschen verfügen nur über eine eingeschränkte kognitive Kapazität und Aufnahmefähigkeit und müssen diese bei all den Reizen, denen wir täglich ausgesetzt sind, gezielt einsetzen. Am häufigsten wurde der QR-Code bei dem Piktogramm-Aufkleber übersehen – vielleicht weil die Aufmerksamkeit schon an anderer Stelle „aufgebraucht“ wurde? Zu dieser Vermutung passt die folgende Rückmeldung: „Alles im unteren Teil (QR-Code, Logo) habe ich beim ersten Blick gar nicht wahrgenommen, weil ich beschäftigt war damit herauszufinden, was in den Müll darf“. Klar wird: ein wirksamer Aufkleber sollte die ohnehin begrenzte menschliche Aufmerksamkeit auf intuitive Weise steuern.

Ein nächster Schritt wäre nun, die Aufkleber in „freier Wildbahn“ in einem Feldexperiment zu testen. Man könnte sich beispielsweise ansehen, ob der fotorealistische Sticker auch in der realen Situation des Müll-Entsorgens mit vielen weiteren Einflussfaktoren (z.B. Wettersituation, Menschenansammlungen, …) bessere Ereignisse erzielt. Oder kleinere Details gezielt variieren (mit „Danke“ vs. ohne „Danke“). Oder, oder, … Apropos: bereits durchgeführt haben wir das eingangs erwähnte Feldexperiment in Wiener Gemeindebauten, in dem wir untersucht haben, welche Maßnahmen das korrekte Wegwerfen von Abfall fördern (auch in diesem Experiment hat ein Plakat mit Piktogrammen tendenziell eher schlecht abgeschnitten). Das Ausprobieren der Aufkleber im Online-Experiment hat aber schon jetzt wichtige Erkenntnisse zutage gebracht, die zukünftig beim Design von Info-Aufklebern berücksichtigt werden können.

Literatur

Mikrozensus Umwelt (2019); abgerufen am 14.04.2021

Zajonc, R. B. (1968). Attitudinal effects of mere exposure. Journal of personality and social psychology, 9(2p2), 1.