Die Herausforderung des perfekten Geschenks
Es ist nicht einfach ein passendes Geschenk zu finden. Mein bester Freund aus der Schulzeit hat recht konsequent als Jugendlicher entweder Schokolade, eine Kerze oder Parfum verschenkt. Gute Freunde oder Familie haben auch einmal eine selbst gebrannte CD mit selbst ausgewählten Liedern bekommen. Ich habe mich oft in der Vorweihnachtszeit darüber lustig gemacht, da ich die auswechselbaren Geschenke unpersönlich fand und eben auswechselbar. Trotzdem hatten seine Geschenke immer auch eine sehr persönliche Note und das war die beiliegende Karte, in der er auf gemeinsame Erlebnisse anspielte und individuelle Wünsche ausdrückte. Zu der Wertschätzung einer Karte aber später in diesem Beitrag mehr.
Wie ökonomisches Denken mit Schenken zusammenpasst
Etwas zu schenken, bedeutet jemandem eine Sache ohne explizite Vereinbarung zu geben ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. An Weihnachten hat sich eine soziale Norm des Geschenketausches etabliert. Unter standardökonomischen Annahmen macht Schenken eigentlich gar keinen Sinn. Man selbst weiß am besten, was man gerade benötigt und wie viel einem ein bestimmtes Produkt wert ist. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ein Geschenk genau das beinhaltet, was man sich für den entsprechenden Bargeldwert gekauft hätte.
Der Wohlfahrtsverlust des Schenkens
Vor über 20 Jahren hat der Ökonom Joel Waldfogel Studien zu Wohlfahrtsverlusten durch unpassende Geschenke durchgeführt, um die Höhe des Verlustes abzuschätzen. Was ist dieser sogenannte „Wohlfahrtsverlust“? Dies ist der Unterschied zwischen dem Betrag, den der Schenker für das Geschenk ausgibt und dem Wert, den der Beschenkte dem Geschenk beimisst. Waldfogel findet, dass der Beschenkte, wie die Theorie vorhersagen würde, dem Geschenk weniger Wert beimisst als das Geschenk tatsächlich gekostet hat. Geschenke von Freunden und nahestehenden Anderen haben dabei am wenigsten Wert eingebüßt – nur etwa 10% vom Kaufpreis. Dagegen schnitten Geschenke des erweiterten Familienkreises am schlechtesten ab: mit bis zu 35% Wertverlust.
„Schenken ist ineffizient.“
Waldfogel (2009) selbst unterstützt diese Aussage nicht und schlägt Geschenkegutscheine als Alternative oder Spenden für wohltätige Zwecke vor, um die Verschwendung und den Verlust von Weihnachtsgeschenken gering zu halten. Allerdings lösen ca. 30-50% der Menschen Gutscheine unter 100€ nicht ein. Also doch wieder ein inhärenter Verlust des Geschenks und ein Gewinn für die Unternehmen?
Wenn wir Schenken aus einer rein ökonomischen Ressourcenallokation betrachten, wird es sehr schwer sein einen effizienten Weg zum perfekten Geschenk zu finden. Die Kerze für 20€, die ich meiner Schwägerin schenke, wird wahrscheinlich nicht die gleiche Zufriedenheit auslösen, die meine Schwägerin hätte, wenn sie sich selbst für 20€ eine Kerze kaufen könnte, die ihr abgesehen vom Kerzenschein, auch noch dazu besonders gut optisch gefällt.
Warum nicht einen Wunschzettel schreiben?
Ein Wunschzettel könnte ein Weg aus dieser „Verlustfalle“ sein. Zwei WissenschaftlerInnen, Gino und Flynn (2009), haben herausgefunden, dass Menschen Geschenke bevorzugen, die sie sich explizit gewünscht haben verglichen mit unerwarteten Geschenken. Das heißt, Schenkende sollten der Versuchung, zumindest manchmal, widerstehen ein ganz kreatives und gedankenvolles Geschenk zu machen und lieber einmal nachfragen, was gefallen könnte bevor man ein Geschenk kauft oder selbst bastelt. Nach dieser Studie gibt es ein Geschenk, was Menschen noch lieber mögen als Produkte von der Wunschliste: Geld!
Österreich und Schenken
Dass Menschen gerne Geld mögen, zeigt auch eine Studie der WKO/ Österreichisches E-Commerce Gütezeichen von 2018 mit über 1000 Befragten. Über 20% hätten gerne Geldschenke, aber nur 7% schenken gerne Geld. Mehr Infos zu österreichischem Geschenkeverhalten finden Sie hier.
Die verhaltensökonomische Perspektive
Schenken hat weitere Elemente als nur den rein monetären Wert eines Geschenkes. Es kann Schenkenden und Beschenkten glücklich machen in einer Art und Weise wie es etwas selbst Gekauftes nicht kann. Im Gegensatz zur Standardökonomie, bezieht die Verhaltensökonomie auch diese psychologischen Faktoren wie den sentimentalen Wert mit bei der Bewertung von Geschenken ein.
Worte schenken
Geschenke müssen allerdings nicht immer einen materiellen Wert haben oder anderweitig physisch anwendbar für den Empfänger sein. Manchmal ist ein perfektes Geschenk auch ein besonders herzliches Dankeschön, das in einem persönlichen Brief zum Ausdruck gebracht wird. Ich will nicht zu esoterisch werden. Darum unterfüttern wir nun die Kraft der Dankbarkeit mit einer kürzlich erschienen Studie in Psychological Science im Juni 2018 von Kumar und Eply.
Danke sagen kommt besser an als Menschen denken
In der Studie von Kumar und Eply (2018) bitten die WissenschaftlerInnen 100 TeilnehmerInnen Briefe zu schreiben, in denen sie ihre Dankbarkeit ausdrücken. Adressaten können Freunde, eine Lehrerin oder ein Lehrer oder jemand anderes sein, bei dem sich die TeilnehmerInnen bedanken wollen. Obwohl dies keine ganz einfachen Briefe waren, hat es durchschnittlich weniger als 5 Minuten gedauert, einen Dankesbrief zu verfassen.
Die TeilnehmerInnen wurden dann gefragt, was sie denken wie überrascht, glücklich und seltsam die EmpfängerInnen ihres Briefes sich fühlen, wenn sie den Dankesbrief lesen. Auch die EmpfängerInnen des Briefes wurden befragt, wie sie sich gefühlt haben. Die Sender des Briefes haben stark überschätzt wie seltsam sich die EmpfängerInnen beim Lesen des Briefes fühlen und stark unterschätzt wie glücklich diese Briefe ihre LeserInnen machen. Die positiven Effekte von individueller Wertschätzung auf die Stabilität und Qualität von Beziehungen ist groß. Die Stabilität von positiven Beziehungen wiederum ist wichtig für das Wohlbefinden von Menschen. Ein Zitat von einem Benediktinermönch fasst dies poetisch schön zusammen: „Glück führt nicht zur Dankbarkeit. Dankbarkeit führt zu Glück.“
Kurz gesagt, warum nicht eine Dankeskarte zu Weihnachten schreiben, die nicht nur dem Beschenkten sondern auch dem Schenkenden guttut? Ein Geschenk passend zur Dankeskarte wäre vielleicht eher nicht das Bargeld. Hier oder hier eine Idee, was zu einer Dankeskarte passen könnte.
Zeit schenken
Zeit ist ein rares Gut in unserer Gesellschaft. Warum lieben Menschen, die einem etwas Wert sind, nicht etwas von der eigenen Zeit zukommen lassen? Hier eine Möglichkeit dies mit Stil zu tun.
Die Verpackung
In Marketing-Studien wurde auch untersucht, wie sich die Verpackung auf den wahrgenommenen Wert eines Geschenkes auswirkt. Eine schöne Verpackung kann den Wert eines Geschenkes signifikant steigern. Das perfekte Geschenk erfordert also nicht nur ein passendes Inneres, aber auch ein schönes Äußeres.
Personalisierte Geschenke
Auch personalisierte Geschenke können den wahrgenommen Wert eines Geschenkes stark steigern. Vielleicht ein gravierter Kugelschreiber oder ein Schmuckstück mit verschlüsselten Botschaften wie beispielsweise hier?
Der „Ich-habe-es-selbst-gemacht“ ─ Wert
Eine Studie von Franke et al. (2010), erschienen in Management Science, zeigt, dass Menschen selbst designten Dingen einen höheren Wert beimessen, als wenn sie nicht über das Aussehen eines Produktes mitbestimmen können. Das heißt, etwas zu schenken, bei dem Menschen etwas selbst erstellen können, kann einen hohen Wert für die Beschenkten generieren. Eine Idee hierzu: Die Art Night in Wien – Ein Künstler malt mit einer Gruppe von TeilnehmerInnen ein bestimmtes Bild und zeigt wie es geht. Hier verschenkt man eigene Zeit und gleichzeitig zeichnet man sein eigenes Bild, was man am Ende mit nach Hause nehmen kann und einen hohen intrinsischen Wert hat.
Was also ist das perfekte Geschenk?
Ein besonderes Produkt aus der (Wahl-)Heimat, ein persönliches Geschenk mit Dankeskarte oder einfach nur Geld – der Beschenkte weiß entweder das Geschenk zu schätzen oder nicht. Wenn man jemanden nicht so gut kennt, macht es sicher Sinn jemanden zu fragen, was dieser Person gefallen könnte bzw. vielleicht gibt es sogar so etwas wie eine Wunschliste, an der man sich orientieren kann. Auch bei lieben Freunden und Familie kann man sich an eine Wunschliste halten, wenn man auf Nummer sicher gehen will.
Die Frage ist, ob jeder immer so gut reflektieren kann, was er/sie gut gebrauchen kann. Auch ein Geschenk mit hohem sentimentalem Wert wird wohl eher nicht auf dem Wunschzettel stehen. Dafür sind gute Freunde auch da – zu sehen, was jemand benötigen kann oder was jemanden gefallen könnte, an das er/sie vielleicht noch gar nicht gedacht hat.
Wenn ein Geschenk einmal nicht gefällt, kann man immer noch sagen „You can’t always get what you want“ (Rolling Stones), um im nächsten Jahr dann vielleicht doch einmal nach einem Wunschzettel fragen.
Literatur
Franke, N., Schreier, M., & Kaiser, U. (2010). The “I designed it myself” effect in mass customization. Management Science, 56(1), 125-140.
Gino, F., & Flynn, F. J. (2011). Give them what they want: The benefits of explicitness in gift exchange. Journal of Experimental Social Psychology, 47(5), 915-922.
Kumar, A., & Epley, N. (2018). Undervaluing Gratitude: Expressers Misunderstand the Consequences of Showing Appreciation. Psychological Science, 29(9), 1423-1435.
Waldfogel, J. (1993). The deadweight loss of Christmas. The American Economic Review, 83(5), 1328-1336.
Waldfogel, J. (2009). Scroogenomics: Why you shouldn’t buy presents for the holidays. Princeton University Press.
Titelbild: Kira auf der Heide (gefunden auf unsplash.com)
Bild im Beitrag: Simon Maage (ebenfalls gefunden auf unsplash.com)