Frauenquote Fluch oder Segen?
In Österreich sind nur 9 von 186 börsennotierten Vorständen weiblich, wie der Standard am 14.01.2019 berichtete. Dies entspricht einem Rückgang weiblicher Top-Führungskräfte von 6% auf 4,8% im Vergleich zum Vorjahr. Eine häufig genannte Lösung für die Unterrepräsentierung von Frauen in Führungsetagen ist die Frauenquote. Der Vorschlag einer solchen Maßnahme erzeugt in der öffentlichen Diskussion immer wieder starke Kontroversen. Es wird argumentiert, dass sich eine solche Praxis vielleicht als demotivierend für männliche qualifizierte Arbeitskräfte auswirken könnte. Ein Grund hierfür könnten die wahrgenommenen schlechteren Chancen auf Positionen sein, die zu weniger Motivation bzw. Frustration bei Männern führen. Noch dazu könnte eine Quote wirkungslos sein, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Ein Beispiel hierfür wäre das “Golden Skirt“ Phänomen, welches nach der Einführung der Frauenquote in Vorständen in Norwegen beobachtet werden konnte. Während technisch betrachtet die Frauenquote von 40% erreicht wurde, wurden die meisten Posten unter einer kleinen Gruppe von Frauen aufgeteilt.
Frauen sind qualifiziert, aber warum sind sie unterrepräsentiert?
Trotz guter Ausbildung und hoher beruflicher Motivation bleiben Frauen häufiger in ihrer beruflichen Entwicklung hinter Männern zurück. In Schweden konnte gezeigt werden, dass weibliche WissenschaftlerInnen mit gleicher Produktivität wie ihre männlichen Kollegen von Gutachtern nicht als gleich kompetent eingeschätzt wurden (Wenneras & Wold, 2001). Des Weiteren kann es in Beurteilungsprozessen von BewerberInnen für eine Führungsstelle zur Unterschätzung des Potentials von Frauen kommen, da Führungsqualitäten häufig mit männlichen Eigenschaften assoziiert werden (Kirchler, Wagner & Buchleitner, 1996).
Ein weiterer wichtiger psychologischer Faktor, neben vielen sozialen Barrieren (Bsp.: fehlende Kinderbetreuung, wenig Teilzeitarbeitsstellen etc.) ist, dass Männer und Frauen unterschiedliche Präferenzen für Konkurrenzsituationen haben. Je höher der wahrgenommene Konkurrenzkampf für eine Stelle ist, desto weniger häufig bewerben sich Frauen.
Der Grund für dieses Verhalten hängt unter anderem von einer verzerrten Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten und dem Selbstbewusstsein ab. Frauen tendieren häufiger dazu, sich selbst als weniger erfolgreich einzuschätzen und präsentieren sich weniger selbstsicher (Sieverding, 1999). Schon während der Bewerbungsphase sind jedoch ein starkes Selbstbewusstsein sowie eine überzeugende Selbstrepräsentation entscheidend.
Frauen ermutigen zu „kämpfen“
Kann eine Frauenquote helfen, die Situation für Frauen am Arbeitsmarkt zu verbessern? In einer verhaltensökonomischen Studie von Balafoutas und Sutter (2012) wurde in einem Laborexperiment, d.h. einem Experiment mit 360 Studierenden in einem stark kontrollierten Umfeld, die Wirkung einer Frauenquote untersucht. Die Fragen, die diese Studie aufwirft: Wer bewirbt sich auf Positionen mit Frauenquote? Wer bewirbt sich auf Positionen ohne Frauenquote? Sind die ausgewählten KandidatenInnen in einem Bewerbungsverfahren mit einer Frauenquote genauso qualifiziert wie in einem Verfahren ohne eine Quote?
Das Experiment simuliert die Konkurrenzsituation am Arbeitsmarkt. Diese wurde in verschiedenen Varianten durchgeführt. In einer Variante wurde eine Quote eingesetzt, die festlegte, dass eine/r der beiden GewinnerInnen weiblich ist. In der Kontrollgruppe gab es keine Quote und die Besten der Gruppe erhielten die zu besetzenden Stellen.
Quote ermutigt zu mehr Wettbewerbsgeist
Die Forscher Balafoutas und Sutter (2012) zeigten, dass Frauen sich eher freiwillig der Konkurrenzsituation stellen, sobald es eine Frauenquote gibt. Insbesondere Frauen mit einer überdurchschnittlichen Leistung werden ermutigt in die Konkurrenzsituation zu treten. Außerdem wurden gut abschneidende Männer nicht negativ von der Frauenquote beeinflusst. Somit blieb die Leistung der GewinnerInnen durch die Frauenquote gleich gut. Übertragen auf den Arbeitsmarkt würde das heißen, dass eine Frauenquote nicht zu einer Verschlechterung der Qualität der eingestellten BewerberInnen führen.
Doch sind Frauenquoten immer nur positiv zu sehen?
Potentielle negative Nebeneffekte von Quoten
Die ForscherInnen Leibbrandt, Wang & Foo (2017) untersuchten in einer Studie, ob sich Männer durch eine Quote unfair behandelt fühlen. Diese wahrgenommene Ungleichbehandlung könnte sich in Sabotageakten gegenüber Frauen auswirken. Für die Untersuchung der Forschungsfrage wurden die TeilnehmerInnen der Studie monetär für das erfolgreiche Lösen einer Aufgabe entlohnt. Dieses Verfahren simuliert eine Karriereaufstiegssituation, in der verschiedene Angestellte in einem Unternehmen um eine Führungsposition konkurrieren. Die TeilnehmerInnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt – eine Kontrollgruppe ohne Quote, in der die beiden Besten gewannen und eine Gruppe mit Quote, in der gesetzt war, dass mindestens eine Frau gewinnt – also ähnlich wie in dem Experiment von Balafoutas & Sutter (2012). Die Bewertung, ob eine Aufgabe richtig gelöst wurde, wurde jedoch von den KonkurrentInnen vorgenommen. Dadurch bekamen sie die Möglichkeit die Leistung anderer zu sabotieren, damit man selbst in Vergleich zu den anderen besser abschneidet.
Führt eine Frauenquote zu mehr Sabotage?
Leibbrandt, Wang und Foo (2017) stellten in den Frauenquoten-Gruppen starke Sabotageakte der anderen TeilnehmerInnen – männlich und weiblich – fest. Überraschenderweise fokussierten sich die weiblichen Versuchspersonen auf das Sabotieren der anderen Frauen in ihrer Gruppe, während Männer willkürlich sabotierten. Außerdem wurde der gewünschte Effekt, dass Frauen eher in einen Wettbewerb gehen, wenn eine Quote eingeführt wird, durch die gegenseitige Evaluierung reduziert Die ex ante zur Studiendurchführung angenommene wahrgenommene Ungleichbehandlung der Männer wirkte sich somit nicht in Sabotageakten speziell gegenüber Frauen aus.
Diese Ergebnisse haben wichtige Implikationen für das Einführen einer Frauenquote. Die o.g. AutorInnen argumentieren nicht per se gegen eine Quote, machen aber darauf aufmerksam, dass in spezifischen Kontexten, wie beispielsweise bei 360 Grad Feedback (siehe nächster Abschnitt), eine Quote auch Nachteile mit sich bringen könnte.
Implikationen für das 360 Grad Feedback
In einem 360 Grad Feedback werden verschiedene Verhaltensdimensionen einer Person von verschiedenen Seiten (Vorgesetzte, MitarbeiterInnen, KollegInnen etc.) bewertet. Durch das Zurückhalten von positiven und das Betonen negativer Aspekte könnte ein sabotierendes und schlechtes Feedback schwerwiegende Konsequenzen für eine weibliche Führungsperson haben. Beispielsweise könnten nach einer negativen Evaluation die Aufstiegschancen einer Frau geschmälert werden. Eine Quote scheint somit kein Allheilmittel darzustellen und muss gut überlegt sein, damit sie wirklich die gewünschten Effekte zeigt.
Frauenquote in Österreich
Werfen wir nun erneut einen Blick auf Österreich. In Österreich wurde – wie in vielen anderen demokratischen Ländern – am ersten Jänner 2018 eine Frauenquote eingeführt. Diese beträgt für Aufsichtsräte nun 30%. In den Aufsichtsräten in Österreich wuchs im Vergleich zum Vorjahr seither der Frauenanteil nur von 18,8% auf 23,3% in 2018 an (EY, 2019). Dieser schwache Anstieg zeigte sich, obwohl bei Nichteinhaltung der Quote die Wahl für ungültig erklärt und der Posten unbesetzt bleiben muss.
Wertschätzung als Alternative zur Quote
Eine andere Idee als nur Quoten einzuführen, ist das explizite Hervorheben der Wertschätzung von ethnischer und geschlechtlicher Diversität in Stellenausschreibungen, welches auch schon an vielen Stellen in Österreich Praxis ist. In einem Feldexperiment in den USA wurden solche kleine Statements bei der Ausschreibung von Stellen angehängt. Insbesondere ethnische Minderheiten reagierten auf diese mit einer höheren Bewerbungsrate. Frauen bewarben sich jedoch nicht signifikant häufiger (Flory, Leibbrandt, Rott & Stoddard, 2018).
Es gibt viele weitere Möglichkeiten in Einstellungsprozesse und Beförderungen einzugreifen und ein Umdenken herbeizuführen wie zum Beispiel Mentoring-Programme, die speziell Frauen ermutigen, sich auf bestimmte Positionen zu bewerben. Nun liegt es an der Wissenschaft zu evaluieren, unter welchen Umständen eine Quote funktionieren kann und welche weiteren oder anderen Maßnahmen notwendig sind, um eine Beschleunigung der Geschlechtergerechtigkeit bei Einstellungsprozessen oder Beförderungen zu generieren.
Literatur
Balafoutas, L., & Sutter, M. (2012). Affirmative action policies promote women and do not harm efficiency in the laboratory. Science, 335(6068), 579-582.
EY (2019). Abgerufen von https://www.ey.com/at/de/newsroom/news-releases/ey-20190114-ey-mixed-leadership-barometer-oesterreich-1-2019
Flory, J. A., Leibbrandt, A., Rott, C., & Stoddard, O. (2018). Increasing Workplace Diversity: Evidence from a Recruiting Experiment at a Fortune 500 Company (No. 7025). CESifo Group Munich.
Leibbrandt, A., Wang, L. C., & Foo, C. (2017). Gender quotas, competitions, and peer review: Experimental evidence on the backlash against women. Management Science.
Standard (2019, 14.01.19). Abgerufen von https://derstandard.at/2000096132456/Anteil-sankNur-neun-von-186-Vorstaenden-in-Oesterreich-sind-Frauen
Sieverding, M. (1999). Psychologische Karrierehindernisse für Frauen-Selbstkonzept, Selbstpräsentation, Selbstselektion? (pp. 18-20). Deutscher Psychologen-Verlag.
Statista (2018). Abgerufen von https://de.statista.com/statistik/daten/studie/328252/umfrage/frauen-in-fuehrungspositionen-in-oesterreich/
WBI US Workplace Bullying Survey (2014). Abgerufen von http://www.workplacebullying.org/wbiresearch/wbi-2014-us-survey/.
Wenneras, C., & Wold, A. (2001). Nepotism and sexism in peer-review. Women, sience and technology: A reader in feminist science studies, 46-52.
Titelbild: unsplash/Shubham Sharma